Australien – Tastes of the Outback

Nach unserer kleinen „Urlaubsrunde“ auf Bali, wird es wieder Zeit für ein richtiges Abenteuer. Wir wollen endlich wieder wild Campen, nicht wissen wo wir morgen schlafen werden und abgelegene Pisten fahren. Lange haben wir hin und her überlegt, wohin es für uns noch so gehen könnte. Taiwan, Südkorea oder auch Japan waren beispielsweise ein paar Gedanken dazu. Doch Australien hatten wir von Beginn an im Kopf, es liegt Bali am nächsten, lockt mit dem Outback und anderen Möglichkeiten, genau das zu erleben. Als Startpunkt haben wir uns für die im Süden gelegene Stadt Adelaide entschieden. Dort verbringen wir die ersten Nächte bei den Warmshowers Cheryl und John, einem pensionierten Ehepaar, die sich ganz rührend um uns kümmern und nach Strich und Faden verwöhnen.

Beide waren Lehrer, haben in einigen Ländern dieser Erde gelebt, gearbeitet und sind selber viel herumgereist. Cheryl verwöhnt unseren Gaumen mit internationalen Speisen (purer Luxus), während John uns für die kommenden Wochen mit nützlichen und wertvollen Tipps füttert. Einen freien Tag nutzen wir und fahren einen 40 km langen Bike Path durch und um Adelaide herum, der uns vorerst ein letztes Mal an den Strand führt. Die Radwege lenken uns durch schöne grüne Parks, sie sind oft besser als die Straßen bei uns Zuhause, zweispurig versteht sich, und wir gelangen ganz entspannt in jeden Winkel dieser Stadt. Bevor unsere Reise durch den roten Kontinent so richtig losgeht, organisieren wir mit John noch ein paar wichtige Ersatzteile und durchforsten unseren ersten australischen Supermarkt. Die Preise lassen uns ganz schön schlucken, aber wir wussten bereits im Vorfeld, dass Australien kein Billigreiseland ist. Wenn man die Angebote aber etwas vergleicht, bekommt man auch Produkte, die ähnlich teuer sind wie bei uns. Mit vollen Taschen verlassen wir Adelaide und fahren in die Weinberge nordöstlich der Stadt.

Heftiger Seitenwind führt uns über seichte Hügellandschaften nach Barossa und wenig später auf den Riesling Trail durch Clare Valley, eine der ältesten Weinregionen Australiens. Hier machen wir Bekanntschaft mit Kerstin und Louise. Beide leben in ihrem kleinen Eco Haus inmitten der Weinberge und für eine Nacht dürfen wir ihre Gäste sein. Wir plaudern über die Erlebnisse auf Radreisen, essen lecker Pasta, trinken Rotwein und nach einer erholsamen Nacht zeigt uns Kerstin am nächsten Morgen ein kleines privates Weingut ganz in der Nähe, wo sie selber arbeitet. Wir erhalten Einblick in die Methoden der Weinherstellung und in die Geschichte des kleinen Unternehmens und zum Abschied noch eine Flasche hauseigenen Rotwein und Moskitonetze für den Kopf, die wir wenig später wohl noch brauchen werden. Mit diesen Geschenken starten wir gut gelaunt in den Tag und lassen die Weinberge so langsam hinter uns.

Wir fahren auf noch guten Straßen an vielen abgedroschenen Weizenfeldern vorbei, auf denen sich große Schafherden tummeln. Grau-rote Papageie begleiten uns immer wieder mit ihren Gesängen, die manchmal in Schwärmen über unsere Köpfe fliegen. Ab und an geht es durch kleine im Dornröschenschlaf liegende Ortschaften und die Entfernungen dabei werden immer größer. Zum Vergleich: in Australien leben rund 24 Millionen Menschen auf einer Fläche, die 21 Mal größer ist als Deutschland. In den kleinen Gemeinden leben nur wenige Menschen, außer einem Café, einer Tankstelle oder einem General Store gibt es oft nix weiter. Für uns aber ausreichend, um unsere Wasser- und Essenvorräte für mehrere Tage etwas aufzustocken. Auch wenn der Herbst gerade Einzug hält, hat es täglich Temperaturen um die 30°C rum (gefühlt aber höher) und unser Wasserverbrauch ist enorm hoch. Für zwei Tage ohne Ortschaft und Zugang zu frischem Trinkwasser, brauchen wir zurzeit 10 bis 12 Liter pro Mann. Hinzu kommt einiges an Essen, welches wir in größeren Mengen (wenn möglich) in einem Supermarkt einkaufen, denn die General Stores haben weniger Auswahl und sind um einiges teurer. Mit diesen Dingen sind wir unabhängig und können mehrere Tage in der freien Natur Campen.

Doch an einem Abend schlagen wir unser Quartier auf einem Caravan Platz in einer Ortschaft auf. Dieser kostet nix und wir haben Zugang zu frischem Trinkwasser. Wir bauen also nichts ahnend auf einer moosähnlich und gut gepflegten grünen Wiese unsere Zelte auf. Mitten in der Nacht nimmt plötzlich die automatische Sprinkleranlage ihren Betrieb auf und reißt uns aus dem Schlaf. Die Zelte stehen dummerweise direkt vor den Düsen und wir, mit Schlüppi, äußerst planlos da. Nach Hin-und-her-Überlegen beschließen wir, dass einer die Düsen festhält und der andere währenddessen die Heringe aus dem Boden zieht. Dann hieven wir im Affentempo die Zelte samt Inhalt über den Zaun. Wir sind völlig aus dem Häuschen und können dennoch wenig später über diese recht komische Situation lachen. Am nächsten Tag sind wir ein letztes Mal eingeladen, bevor wir so richtig ins Outback starten. Heather und Simon leben in ihrer kleinen Wohlfühloase etwas abseits einer Siedlung. Beide sind leidenschaftliche Radfahrer und so kommen wir schnell ins Gespräch und tauschen uns über die Erlebnisse auf Radreisen aus. Heather gibt uns außerdem noch ein paar Infos für die kommende Etappe, die uns wieder etwas in die Berge führt. Unnötigen Ballast lassen wir bei ihnen, um diesen in ein paar Wochen per Post an unseren geplanten Zielort zu schicken. So haben wir weniger Gepäck dabei und etwas mehr Platz für Proviant in den abgelegenen Regionen. Von Beginn an erleben wir die Australier als äußerst aufgeschlossen, gastfreundlich und hilfsbereit. Immer wieder hält ein Auto an und fragt, ob wir Wasser oder Hilfe brauchen.

Dann nehmen wir Kurs auf die Flinders Ranges, dem höchsten und größten Gebirgszug in Südaustralien. Anfangs geht es noch auf flacher Strecke und asphaltierter Straße durch steppenähnliche Landschaften die uns etwas an Kasachstan erinnern. Wir sehen die ersten Wildtiere wie Ziegen, Kängurus oder auch Emus die im Schatten der Sträucher Schutz vor der glühend heißen Sonne suchen. Auch der Geruch von toten Tieren weht uns schon von weitem ins Gesicht. Die Anzahl der Fliegen nimmt dementsprechend zu, sodass der von Kerstin geschenkte Moskitokopfschutz nun zum Einsatz kommt. Die Fliegenplage ist enorm, während der Fahrt und in jeder Pause versuchen sie uns in die Ohren und Nase zu kriechen. Wir sind froh diesen Schutz zu haben, sonst wäre es unerträglich. Die Australier nennen das übrigens „TASTES OF THE OUTBACK“ :). Sobald die Sonne dann untergeht und wir unser Zelt aufgeschlagen haben, sind die nervigen Dinger plötzlich verschwunden und wir können das Campen im Outback so richtig genießen. Abends sitzen wir am Lagerfeuer und bewundern den riesigen Sternenhimmel der sich über unseren Köpfen breitmacht. Morgens werden wir mit einem Vogelkonzert von Papageien, Elstern oder Raben geweckt. Das Gezwitscher ist einzigartig und kaum mit dem aus unserer Heimat zu vergleichen.

Bei angenehmen Steigungen kurbeln wir immer höher die Berge hinauf. Die Landschaften wirken urzeitlich auf uns. Die schroffen Gebirgskämme, leuchten bei Sonnen Auf- und Untergang in den verschiedensten Rot- und Brauntönen. Auch die Botanik ändert sich immer wieder. Mal sind es Nadelbäume, Eukalyptusbäume oder große und kleine Trockenbüsche. Irgendwann verlassen wir die asphaltierten Straßen und fahren fast nur noch Offroad Pisten durch Steinwüsten die bis zum Horizont reichen. Zwischendrin zeigt sich eine Hügelkette nach der anderen. Die Anstrengungen sind enorm, vor allem in den Trockenflussbetten geht es immer wieder in einer Senke durch groben Steinschotter hoch und runter. Nicht nur wir, sondern auch die schwer bepackten Räder sind extremen Anforderungen ausgesetzt. Die Orte für ausgedehnte Pausen liegen so weit auseinander, dass wir mehrere Tage am Stück durchfahren müssen.

Nach und nach gibt auch das Material seinen Geist auf und das Wort „langzeittauglich“ verliert seine Bedeutung. Ein Zeltreisverschluss geht weder zu noch auf, ist völlig im Eimer und muss provisorisch genäht werden. Gerade hier in Australien bei unzählig giftigen Tieren ein No-Go. Eine Isomatte verliert ständig Luft und muss in der Nacht mehrmals nachgepumpt werden. In Iga Warta, ein in die Jahre gekommenes Aboriginal Camp, finden wir einen Ort der Ruhe und tanken neue Kraft. Hier versuchen wir die kaputte Matte in einem Pool zu reparieren, was uns auch ganz gut gelingt. Doch kurze Zeit später platzt durch die Hitze der Sonne eine Luftkammer nach der anderen und die Matte plustert sich wie eine Wurst auf – na super. Mitten im Outback, mit dem Wissen, der nächste Laden ist mehrere hundert Kilometer weit weg, ein Schock der tief sitzt. Doch der Camp Besitzer ist sehr bemüht und organisiert uns innerhalb eines Tages eine neue, wenn auch einfache, Matte. Unsere Freude darüber ist ungemein groß.

Voller Elan geht es weiter und wir folgen den Spuren der alten stillgelegten Ghan-Eisenbahnlinie die den Süden mit dem Norden des Landes verband. Entlang dieser Strecke führt der Oodnadatta Track, eine 615 km lange Outbackpiste auf der lediglich zwei winzige Ortschaften liegen, wo wir Wasser auftanken können. So decken wir uns mit jeweils 13 Liter Trink- und Kochwasser ein, in der Hoffnung damit rund 200 km bis zum nächsten Ort zu überbrücken. Unsere Tagesetappen liegen nun bei rund 100 km und es sind die härtesten überhaupt. Nicht nur die staubigen Sand-, Waschbrett- und Schotterpisten, sondern auch heißer Wind und Temperaturen um die 40°C im Schatten machen diesen Streckenabschnitt zu einer wahren Strapaze für uns. Hinzu kommen Millionen von Fliegen, die jede Pause unter einem schattigen Busch zur Qual werden lässt. Zudem treibt die trockene Luft unseren Durst enorm in die Höhe. So trinken wir statt 3 Liter nun rund 7 Liter pro Kopf und Tag und die abgeschätzte Menge reicht nicht ansatzweise aus. Es sind immer kleine Schlückchen die lediglich zum Lippenbefeuchten dienen, um bis zum nächsten Ziel auszukommen.

Doch hin und wieder begleitet uns das Glück und es hält ein Fahrzeug an, um uns mit etwas Wasser zu versorgen. So bekommen wir in der prallen Mittagshitze ganz spontan eine Flasche Wasser inklusive Eisblock geschenkt. Das sind Momente, die den Frust und die Sorge ob wir das alles schaffen, etwas mindern und uns weiter motivieren. So kämpfen wir uns Kilometer um Kilometer an Salzseen wie dem Lake Eyre vorbei, durch endlos lange Stein- und Sandwüsten weiter und weiter, bis wir irgendwann Williams Creek erreichen. Einzig ein kleines Hotel mit anliegendem Campingplatz bildet die Ortschaft. Völlig ausgepowert und mit Knochen, schwer sind wie Blei, schlagen wir unter schattenspendenden Bäumen unsere Zelte auf und genießen den Luxus einer heißen Dusche, sowie einer eiskalten Cola für schlappe 4,50 $ für 0,33 l mitten im Nix. Kopfkino macht sich breit, ob und wie wir die nächsten 200 km schaffen. Trinkwasser gibt es hier nur für viel Geld an der Hotelbar zu kaufen und das heiße windige Wetter soll sich in den nächsten Tagen auch fortsetzen. So beschließen wir kurzer Hand uns mitnehmen zu lassen und statt diesem Track eine andere Strecke zu fahren. Wir finden ein hilfsbereites Pärchen, welches noch Platz für zwei eingestaubte Räder und ausgelaugte Radfahrer hat und sind überglücklich diese Gelegenheit  zu bekommen.

So fahren wir statt mit dem Rad, seit langer Zeit mal wieder mit dem Auto und erreichen drei Stunden später Coober Pedy, dem Opal Eldorado am Stuart Highway. 1916 ist hier ein Boom um den bunt schimmernden Juwel ausgebrochen, die Menschen haben sich angelockt gefühlt und besiedelten so das Gebiet nach und nach. Heute leben hier rund 1500 Menschen, umgeben von bunten Abraumhalden soweit das Auge reicht. Sie leben hauptsächlich vom Tourismus und dem Opalverkauf, der eine lohnende Einnahmequelle zu sein scheint. Die Stadt und Umgebung diente Filmen wie „Mad Max“ als Kulisse. Auf uns wirkt sie wie ein großes Open Air Museum und eine Art-Galerie, die mit Fahrzeugen und zusammengeschweißten Relikten aus alten Zeiten überzeugt und zum Herumgammeln einlädt. Wir fühlen uns auf Anhieb wohl und sind froh darüber, so ganz spontan hier gelandet zu sein. Nach dem unser Kopf die anstrengenden Tage verarbeitet hat und unser Körper wieder zu Kräften gekommen ist, geht es auf der Nationalstraße 87 weiter. Wir fahren an den Maulwurflandschaften rund um Coober Pedy vorbei und nehmen Kurs auf Alice Springs.

Die Straße ist wie geleckt und zu unserer Überraschung hat sie recht wenig Verkehr. So genießen wir, vom Wind getrieben, nicht nur den tollen Asphalt, sondern auch mit unter 30°C „etwas kühleres“ Radlwetter. Alles ist perfekt, bis auf die nervigen Fliegen (wir machen bereits Witze darüber), die uns dazu zwingen von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang auf dem Rad zu sitzen. Bei den vielen Stunden auf dem Sattel radeln sich die Kilometer nur so weg und man hat genügend Zeit zum Nachdenken oder auch für Entdeckungen am Straßenrand. Unsere Lieblingsbeschäftigung ist es derzeit Dinge zu sammeln, um sich daraus etwas Nützliches zu bauen. So basteln wir uns dann in den Abendstunden beispielsweise aus einem ollen 10 Liter Kanister Fahrradkörbe für den Frontrack, die dann dazu dienen, Wassersäcke oder Lebensmittel ohne Festschnallen zu transportieren. Je weiter wir nach Norden fahren, desto grüner wird es wieder. Nach und nach zeigen sich mehr Sträucher und Bäume und wir finden ohne groß zu suchen perfekte Spots für unser Nachtlager. Wenn die Sonne dann untergegangen und die lästigen Fliegen das Weite suchen, beginnen für uns die Stunden der Einkehr. Passend dazu gibt es fast jeden Abend ein kleines Knäckerchen unter perfektem Sternenhimmel, bei dem das Outbackfeeling so richtig aufkommt. Für uns sind das die schönen Momente voller Ruhe und Zufriedenheit, bei denen wir den Tag Revue passieren lassen oder einfach nur dahinträumen.

Nach rund vier Wochen quer durch den eher trockenen Süden, passieren wir rund 250 km vor Alice Springs die Grenze zwischen Nord- und Südaustralien, in der Hoffnung die summende Plage hinter uns gelassen zu haben und grünen Landschaften entgegen zu radeln.

6 Kommentare

  1. Silke und Thomas

    Hallo ihr zwei.. Das war wieder ein interessanter Bericht! Lasst es euch gut gehen bis zum Wiedersehen!Lg aus Leipzig…

  2. Torsten Kaula

    Hallo ihre beiden, wir denken oft an euch und verfolgen eure Reiseberichte die ganze Zeit. Vor zwei Wochen waren wir sogar in eurer Nähe.
    Haben Urlaub in Bali gemacht und nur faul rum gelegen.
    Wir möchten uns ganz herzlich für die wunderbaren Reiseberichte bedanken,
    denn auf diese Weise bekommen wir auch etwas mit von euren täglichen
    Abenteuern. Sie sind sehr schön verfasst!
    Ja, auch in Deutschland ist es schon recht heiß, auch wenn wir erst Frühling haben.

    Wir freuen uns wieder darauf von euch spanendes zu hören und passt gut auf euch auf und erlebt noch viel positives!

    Liebe Grüße aus Nürnberg
    Torsten und Rosi

  3. Till Zimmer

    Wow. Das ist ja das volle Kontrastprogramm zu Bali. Bin Mal gespannt was uns in Australien erwartet… Aber erstmal wartet noch Malaysia und Japan sowie ein großes Stück Fahrradies 😀
    Eine gute Weiterfahrt und viel Rückenwind

    • radler

      Hoffentlich kein Fliegenterror 🙂 viel Spaß auf der Route nach Malaysia!!!

  4. uwe und maren

    Tach Ihr Lieben. Habe gerade Euren wieder einmal sehr erfrischenden und motivierenden Reisebericht gelesen. Tankt soviel wie möglich an positiven Stimmungen auf. Wir haben auch ´ne kleine Radtour gemacht: zu Ostern den Emsradweg. Auch ´ne super Erfahrung durch den Menschenschlag und die Landschaft. Wir wünschen Euch noch erlebnisreiche Tage und wunderbare Begegnungen mit all den Menschen. Liebe Grüße von Maren und Uwe aus Halle.

    • radler

      Schön von euch zuhören! Na dann könnt ihr uns ja auch einen schönen Reisebericht liefern, wenn wir wieder in der Heimat sind. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg.

      Bis bald und LG

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