Wie bei der Einreise nach Laos, wird auch bei der Ausreise der eine oder andere Dollar von uns und den anderen Touristen abkassiert, das Gleiche auf kambodschanischer Seite. Aber wir haben’s ja und mit etwas Geduld haben wir die Grenze passiert. Wir sind im Königreich Kambodscha, dem ärmsten Land in Südostasien. Das macht sich auch sofort an den Straßen bemerkbar. Die ersten vierzig Kilometer erinnern uns an den Pamir. Zerbröselter Asphalt und Waschbrettpisten mit viel Staub wechseln sich ab. Mehr hat es vorerst nicht zu bieten. Wir rollen durch von Brandrodung gelichtetes Land und finden kaum Ortschaften vor, auch Läden und Restaurants sind selten. Ab und zu sehen wir Häuser aus denen die Kinder gestürmt kommen um uns zu begrüßen. Mit „bye bye“ und „hello hello“ winken sie uns zu und wir natürlich auch zurück. Der Winkearm bleibt uns hier also erhalten.  Nach einer gefühlten Ewigkeit und ordentlichem Hunger, halten wir an einem kleinen Laden und essen Reis und eine Art Kohlsuppe mit Gehacktem von irgendeinem Tier, aber es schmeckt. Dort treffen wir auch einen jungen Schweizer, der an der Grenze mit seinem Moped große Probleme bei der Einreise hatte. Wir tauschen Erfahrungen und Empfehlungen aus und fahren dann weiter. Am Abend erreichen wir Strung Treng und der Überfluss ist wieder allgegenwärtig. Wir tauschen Geld, was sich als nicht so einfach erweist, und essen auf dem Nachtmarkt. Ein kühles Bier darf da natürlich nicht fehlen.

Nach Kratie, eine Stadt in französischem Kolonialstil, brauchen wir weitere zwei Tage. Auf der Straße herrscht wenig Verkehr, aber was wir dort zu sehen bekommen, bringt uns zum Staunen oder zum Schmunzeln, je nach dem. Selbstgebaute LKWs kennen wir schon aus Laos, doch die Kambodschaner setzen mit ihren Motorrädern noch einen oben drauf. Auf Anhängern, die eigentlich rollende Warenhäuser sind, wird alles verkauft, was die moderne Hausfrau braucht. Von Geschirr über Töpfe bis hin zum Käfig für das liebe Federvieh ist wirklich alles dabei. Die Dinger sind manchmal so überladen, sie müssten umkippen. Die Damen hier im Land tragen tagsüber so etwas wie einen Schlafanzug, meistens in knallbunten Farben. Ein passender Hut ist auch dabei. Wir verlassen die Nationalstraße, die den Namen eigentlich nicht verdient und biegen Richtung Mekong ab. Auch hier ist alles verbrannt und wir hoffen, es geht bis Phnom Penh nicht so weiter. Inmitten der verkohlten Flächen sprießt neues Grün und bildet einen merkwürdigen Kontrast. Jetzt werden die Temperaturen fast unerträglich (um die 37° C) und die Straßen sind nur noch Schotterwege und Trampelpfade.

Doch an diesem Tag ist das Glück auf unserer Seite und kurz vor Sonnenuntergang finden wir einen Strand an einem kleinen Wasserfall mit Badestelle. Es ist nur ein Einheimischer da, der sein Moped im Mekong putzt. Da der örtliche Laden im letzten Dorf, winke winke – bye bye, nicht viel zu bieten hat, sind wir mutig und essen gekochte Eier die schon den halben Tag in der Sonne lagen. Aber alles gut, die Verdauung spielt mit. Wir bauen die Zelte, bzw. die Moskitonetze auf und gehen erstmal baden. Das Wasser ist warm und sauber. Wir stehen früh auf, um der größten Hitze zu entgehen und radeln am Mekongufer nach Kratie. Zuerst auf Sandwegen durch winzige Dörfer, winke winke – hello hello,  in denen nur Bambus- und Bretterbuden auf Pfählen stehen, später schon auf Asphalt durch „moderne“ kleine Ortschaften. In Kratie suchen wir die französische Architektur vergeblich, finden aber dafür ein günstiges Hotel mit Klimaanlage, direkt am großen Fluss. Wir bleiben zwei Nächte und lassen die ersten Eindrücke von Kambodscha nachwirken. So richtig haut uns das Land nicht vom Sattel, aber das kann ja noch kommen.

Den freien Tag wollen wir am anderen Flussufer verbringen und baden gehen. Gesagt, getan. Nach dem Ausschlafen und Frühstücken, also am frühen Nachmittag, setzen wir über und nehmen zwei Strandbuden mit Hängematten in Beschlag. Vorher besorgen wir uns auf dem Markt Fisch, Reis, Gemüse und Getränke. Doch es dauert nicht lange und die Schüler des Ortes wollen diesem Vergnügen ebenfalls frönen. Jede Gruppe hat eine große Musikbox dabei und dröhnt uns voll. Die Lautsprecher sind der Renner, in fast jedem Haus scheint es einen zu geben. Sie schleppen kistenweise Bier an, rauchen und machen Party. Wir staunen nicht schlecht, zumal die meisten höchsten dreizehn oder vierzehn Jahre alt sind. Ja ja, die Jugend. Sie gehen auch komplett angezogen ins Wasser. Nachdem einer der Jungs seinen Müll im Fluss entsorgt hat, versucht Dominik die Problematik zu erklären. Doch nicht nur bei den Schülern, sondern allen im Land fehlt es an Verständnis dafür. Sie schauen uns an und wissen nicht, was wir von ihnen wollen. Überall liegen Plastiktüten, Dosen und Verpackungen herum. Sogar im Restaurant wird alles unter den Tisch geworfen. Wir merken, es ist nichts zu machen. Also lassen wir uns wieder auf die Hotelseite schippern und essen seit Monaten mal wieder einen Burger. Dieser entpuppt sich allerdings als belegtes Baguette. Schade, aber lecker. Am späten Abend gibt es einen Wolkenbruch wie aus dem Bilderbuch, für uns der erste Regen seit Monaten. Zum Glück schlafen aber wir drinnen.

Noch haben wir über zweihundert Kilometer bis nach Phnom Penh vor uns, also ist frühes Aufstehen angesagt. Bis zur Hauptstadt ist es im Grunde genommen ein einziges lang gezogenes Dorf, winke winke – bye bye. Alles ist besiedelt und bebaut. Doch jetzt gefällt es uns. Es ist wieder schön grün, die Straßen sind vernünftig und die Pfahlhäuser sehen nicht mehr ganz so armselig aus. Jedes Haus hat einen Garten, mit Bananen, Kokospalmen und Mangobäumen. Davor trocknen Reis, Maiskolben und anderes Gemüse in der Sonne. Hier gibt es auch die großen weißen Ochsen, die wir schon aus Thailand kennen. Es gibt wieder jede Menge an Läden in denen wir eine Pause mit Coca Cola einlegen und kleine Restaurants für die Mittagspause. Unterwegs kommen wir nach „Tabakhausen“, winke winke – hello hello, so nennen wir den Ort, weil hier und in der ganzen Region nicht nur Tabak angebaut, sondern auch getrocknet und weiterverarbeitet wird. Frauen sitzen unter Dächern und legen den getrockneten Tabak auf Tücher, welche dann gepresst werden. Wir bekommen auch eine Kostprobe, drehen uns ein Kippchen, doch das Zeug ist so stark, dass wir sogar eine Handvoll davon als Geschenk ablehnen müssen. Im Raum nebenan liegt noch ein ganzer Berg davon. Eine Schachtel Zigaretten kostet in Kambodscha umgerechnet zwanzig Cent. Was bekommen wohl die Frauen für ihre Arbeit?

Große und imposante Tempel zieren die Dörfer, winke winke – bye bye, wir bestaunen sie allerdings nur von außen. Wir waren schon in zu vielen. Mönche laufen in Gruppen über die Dorfstraße und werden von den einheimischen mit Essen versorgt. Dafür bedanken sie sich mit einem Segen beim Spender. Viele der Tempel sind neu und ähneln sich. In der Zeit der Roten Khmer wurden fast dreitausend von ihnen zerstört und die Mönche umgebracht. Jetzt ist die Religion wieder fester Bestandteil des Lebens der Menschen. In Kampong Cham müssen wir auf die andere Seite des Mekong. Wir bleiben eine Nacht im Hotel Mekong und fühlen uns fast wie in Thailand. Viele Fressstände, eine schöne und saubere Uferpromenade mit Denkmälern und vielen bunten Lichtern am Abend. Es herrscht eine entspannte Atmosphäre, die Kambodschaner schlendern herum, essen Eis und machen Sport. Wir müssen trotzdem früh raus, denn mittags ist es unerträglich warm. Das Ufer sehen wir selten, denn alles ist bebaut. Eigentlich wollten wir zelten, doch jeder freie Fleck wird genutzt und für eine ewige Sucherei nach einem schönen Platz fehlt uns die Lust. So bleibt uns nichts anderes übrig, als uns in kleinen Gästehäusern einzuquartieren. Diese haben eine Klimaanlage, das macht das Ganze sehr angenehm. Die Ausstattung ist manchmal recht ungewöhnlich. Es gibt eine Klimaanlage, einen Fernseher, soweit, so gut. Im Bad gibt es Seife, ein Glas, Zahnbürsten und einen Kamm. Das verwirrt uns etwas, doch es liegt wohl daran, dass die Kambodschaner die Haare schön haben wollen.

Wir fahren weiter  Richtung Süden. Die Menschen lieben große Hochzeiten. In einigen Dörfern, winke winke – hello hello, stehen bunt geschmückte Zelte auf der Hälfte der Straße, in denen sich die Gäste und das Brautpaar aufhalten. Alles ist voller Tische und Stühle, festlich gekleidete Damen und Herren sitzen daran und die Kinder tollen umher. Davor stehen noch eine Bühne auf der eine Band spielt und Boxentürme, die viele Bands in Deutschland neidisch machen dürften. Aber das reicht noch nicht an Lautstärke, denn es sind große Blechmegafone an hohen Fahnenstangen montiert, die das Ganze noch kilometerweit Dröhnen lassen. Der Autoverkehr schlängelt sich irgendwie daran vorbei. Manchmal ist es zum Kopfschütteln, manchmal zum Schmunzeln. Meistens schütteln wir unseren Kopf und schmunzeln. Wie beim Essen auf Rädern. Mopeds haben Körbe, in denen sich lebende Schweine, tote Schweine, kleine Ferkel und Schweine in Einzelteilen transportieren lassen. Vorn am Moped hängt ein kleines Megafon und preist lautstark den Inhalt des Korbes an. Man hört sie immer schon von weitem. Wir müssen jedes Mal grinsen, wenn so ein Gefährt an uns vorbeituckert. Unglaublich. Wir müssen noch ein letztes Mal mit der Fähre über den breiten Mekong, dann sind wir in der Hauptstadt.

Die Metropole mit 1,7 Millionen Einwohnern präsentiert sich groß und modern, mit vielen Wolkenkratzern und Denkmälern. Der Verkehr nimmt ordentlich zu, Ampeln gibt es kaum, jeder fährt wie er will und wir sind mittendrin statt nur dabei. Doch es ist ein angenehmes Fahren ohne Hupkonzert und Gedrängel. Die Nebenstraßen sind ebenso überfüllt, doch wir kommen immer gut voran, man nimmt Rücksicht auf Radfahrer. Unsere Unterkunft ist ein schmuckes kleines Hotel und hat einen Pool, den wir ausgiebig nutzen. Natürlich besuchen wir den einen oder anderen Trödelmarkt und besorgen uns die Sachen, die wir zum Verpacken der Räder benötigen. Hier ist alles doppelt so teuer wie im Rest des Landes. In den modernen Supermärkten bekommt man französischen Käse genauso wie italienische Nudeln. Zu Preisen, bei denen uns die Ohren schlackern! Bei einem Jahreseinkommen von durchschnittlich 1200 US-Dollar kann sich das kaum einer leisten. Wir nutzen einen freien Tag und besuchen das Völkermord Museum von Choeung Ek mit seinen Killing Fields, sowie das Tuol Sleng Gefängnis in Phnom Penh. Leider ist der Königspalast geschlossen und durch die hohen Mauern sieht man nicht viel. Das Altstadtviertel in der Nähe der Uferpromenade ist voller Hotels und Restaurants. Mit einem kühlen Bierchen lässt es sich am Abend gut aushalten. Die Stadt hat ein gewisses Etwas. Hier finden wir den französischen Kolonialstil. Alte Häuser mit vielen Balkons und vielen Bäumen in den Straßen. Und das Ganze blinkt und leuchtet auf asiatische Art.

In der Hauptstadt bekommen unsere eingestaubten Räder noch eine ordentliche Packung Seifenlauge. denn in wenigen Stunden starten wir in den Urlaub. Naja, fast. Nach mehr als einem Jahr auf dem Sattel, haben wir uns das aber auch verdient. Winke winke und bye bye!